Sitzungsvorlage - V/2024/417

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Der Stadtrat nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und beschließt gem. § 83 Abs. 2 GO NRW in Verbindung mit § 9 Ziffer 3 der Haushaltssatzung 2024 der Stadt Herzogenrath die Leistung von erheblichen überplanmäßigen Aufwendungen im Produkt 0636310 „Sonstige Leistungen für junge Menschen und ihre Familien“ in Höhe von 3.071.000,00 €.

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Finanz. Auswirkung

Finanzielle Auswirkungen (einschl. Darstellung der Folgekosten – Sach- und Personalaufwendungen – sowie Folgeerträge):

 

Der überplanmäßige Mittelbedarf im Produkt 0636310 „Sonstige Leistungen für junge Menschen und ihre Familien“ beträgt prognostisch 3.071.000,00 €.

 

Die erforderliche Deckung erfolgt durch Mehrerträge unter Angabe der folgenden Kontierungen:

 

Sachkonto 414152 – Sonstige Landeszuweisungen, Kostenträger 0636520 – Tageseinrichtungen für Kinder in städtischer Trägerschaft sowie Tagespflege, Kostenstelle 454000 – Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege in Höhe von rd. 1.578.000 €

 

Sachkonto 401300 – Gewerbesteuer, Kostenträger 1661110 – Steuern, allgemeine Zuweisungen, allgemeine Umlagen, Kostenstelle 900000 – Steuern, allgemeine Zuweisungen und allgemeine Umlage in Höhe von rd. 1.493.000 €

 

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Auswirkungen auf den Klimaschutz

keine Auswirkungen

 

positive Auswirkungen

 

negative Auswirkungen

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Sachverhalt

Im Produkt 0636310 „Sonstige Leistungen für junge Menschen und Familien“ sind die im SGB VIII normierten erzieherischen Hilfen (§§ 27 ff. SGB VIII), die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Menschen (§ 35 a SGB VIII) sowie die Hilfen für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) verankert.

Aufgrund der mannigfaltigen zuständigkeits- und erstattungsrechtlichen Regelungen des SGB VIII ist das Fallaufkommen und damit einhergehend die Entwicklung des Finanzbedarfs von Zufälligkeiten geprägt, die eine zuverlässige Finanzplanung nicht zulassen und bis dato jährlich die Bereitstellung überplanmäßiger Mittel nach sich gezogen haben. Hinzu kommen gesellschaftliche Entwicklungen, deren Auswirkungen nur unzureichend prognostiziert werden können. Im Vergleich zu den Vorjahren sind zudem erhebliche überproportionale Steigerungen der Tagessätze für stationäre Betreuungen und Fachleistungsstunden für ambulante Maßnahmen zu verzeichnen, die im Durchschnitt 20 – 25 % betragen haben. 

 

Der Ukrainekrieg und die damit einhergehende Aufnahme und Betreuung von Menschen aus der Ukraine sowie der insgesamt anhaltende Migrationsdruck haben ebenso unmittelbare Auswirkungen auf das Leistungssystem nach dem SGB VIII.

Die Aufnahmequote der Stadt Herzogenrath beträgt zurzeit 29 Personen, davon wurden bereits 27 Personen durch die Landesstelle NRW zugewiesen.

 

Des Weiteren ist aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels im Bereich der stationären Hilfen eine Verknappung der Betreuungskapazitäten und Angebote zu verzeichnen.  Dies bedeutet, dass bei der Akquirierung geeigneter Betreuungsangebote so gut wie keine Auswahlmöglichkeiten mehr bestehen und die am Markt noch offenen Angebote mangels anderweitiger Alternativen in Anspruch genommen werden müssen. Insoweit scheiden fiskalische Angebotsvergleiche bei gleicher Qualität faktisch aus.  

 

Dieses Faktorenbündel beeinflusst auch weiterhin nachhaltig den Finanzbedarf im Produkt 0636310. In den letzten Jahren waren insoweit stetige Budgetsteigerungen zu verzeichnen. Hierbei handelt es sich letztlich nicht um eine isoliert, auf die Stadt Herzogenrath bezogene Entwicklung, sondern einen Trend, der bundesweit zu beobachten ist.

 

Einen wesentlichen Schwerpunkt der Entwicklung eines erhöhten Finanzbedarfs stellen die erzieherischen Hilfen mit einem Gesamtmehrbedarf in Höhe von 1.651.000,00 € dar. Hiervon entfallen auf außerhäusliche Unterbringungen 1.164.000,00 € (Vollzeitpflege = 444.000,00 € + Heimpflege = 720.000,00 €) sowie 487.000,00 € auf ambulante Maßnahmen. 

Diese Entwicklung zeigt, dass die Komplexität der diversen erzieherischen Bedarfe einerseits steigt und andererseits innerhalb der betroffenen Familien mittels ambulanter Maßnahmen nicht mehr kompensiert werden können und im Ergebnis stationäre Hilfen in den Fokus rücken. 

 

Ein weiterer Schwerpunkt stellt auch die Entwicklung im Bereich der Hilfen für junge Volljährige im Sinne von § 41 SGB VIII dar. Die Hilfe nach § 41 SGB VIII ist auf eine Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen ausgerichtet, die auf eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung zielt. In der Regel benötigen junge Menschen, die bis zum 18. Lebensjahr erzieherische Hilfen gem. §§ 27 ff. SGB VIII oder Eingliederungshilfen nach § 35 a SGB VIII erhalten auch über das 18. Lebensjahr hinaus weiter Hilfen, da Ihre Persönlichkeitsentwicklung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist. Dies bedeutet, dass die bis zum 18. Lebensjahr implementierten Hilfen nach den §§ 27 ff. und 35 a SGB VIII überwiegend in Hilfen nach § 41 SGB VIII übergeleitet werden und tendenziell Förderungen bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres nach sich ziehen bzw. bei Hilfen in Form der Eingliederungshilfe in der Regel über das 21. Lebensjahr ggf. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gewährt werden.

Hieraus resultiert ein Gesamtmehrbedarf in Höhe von 1.005.000,00 €.  

Hiervon entfallen auf außerhäusliche Unterbringungen 939.000,00 € (Vollzeitpflege = 179.000,00 € + Heimpflege = 760.000,00 €) sowie 66.000,00 € auf ambulante Maßnahmen.

 

Der Finanzbedarf im Bereich ambulanter Eingliederungshilfeleistungen ist anhaltend hoch.

Ursächlich für den ambulanten Mehrkostenbedarf im Rahmen des § 35a SGB VIII in Höhe von ca. 699.000,00 € ist neben der allgemeinen erheblichen Kostensteigerung der Umstand, dass immer mehr Kinder und Jugendliche erhebliche seelische Erkrankungen aufweisen und ein entsprechender Unterstützungsbedarf in der Regel auch bis zur Volljährigkeit besteht. Dies ist auch eine „Spätfolge“ respektive eine unmittelbare Nachwirkung der Corona-Pandemie. Zudem hat sich das gesellschaftliche Klima in Bezug auf Inklusion positiv verändert. Die gesellschaftliche Integration behinderter Menschen in allen Lebensbereichen wird heute immer mehr als selbstverständlich empfunden und zieht demgemäß auch eine verstärkte Unterstützungsnachfrage der Betroffenen nach sich.

 

Im Bereich der Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII belaufen sich die zu erwartenden Mehrkosten auf 109.000,00 €. Ursächlich hierfür ist u.a. der Anstieg von Unterbringungen unbegleiteter Minderjähriger Ausländer sowie ein nach wie vor hoher Anteil zu verzeichnender Kindeswohlgefährdungen.

 

Der zusätzliche Mittelbedarf im Bereich der Kostenerstattung gem. §§ 89 ff. SGB VIII fällt mit ca. 43.000,00 € moderat aus.

Den vorgenannten Mehrkosten stehen aber auch punktuelle Einsparungen in Höhe von ca. 400.000,00 € gegenüber, die sich hauptsächlich aus folgenden Bereichen ergeben:

Im Gegensatz zur bisherigen Entwicklung wird im Bereich stationärer Eingliederungshilfe eine Einsparung in Höhe von 90.000,00 € prognostiziert.   Bei der Hilfe zur Erziehung gem. §§ 29 (Soziale Gruppenarbeit) und 35 SGB VIII (Intensive Sozialpäd. Einzelbetreuung) wird eine Einsparung in Höhe von ca. 92.000,00 € erwartet. 

Bei der Unterbringung in gemeinsamer Wohnform nach § 19 SGB VIII ist auch in diesem Jahr eine atypische Entwicklung zu verzeichnen, die eine Einsparung in Höhe von ca. 218.000,00 € erwarten lässt.

Darüber hinaus ergeben sich bei verschiedenen Aufwandskonten im Produkt 0636310 weitere Einsparungen in Höhe von ca. 36.000,00 €.

Diese in Einzelbereichen erreichten positiven Entwicklungen reichen aber nicht aus, um den gesamten Kostenbedarf zu decken, sodass abschließend noch überplanmäßige Ausgaben in Höhe von 3.071.000,00 € verbleiben.

Zum Zeitpunkt der Haushaltsaufstellungen war zu erwarten, dass die Haushaltsansätze nicht auskömmlich sein werden. Dennoch erfolgte eine weitere Kürzung der Ansätze um 4%.

Der zur Abdeckung der Leistungsansprüche nach den §§ 27, 35a und 41 SGB VIII und den Erstattungsverpflichtungen nach §§ 89 ff. SGB VIII im Haushalt eingestellte Ansatz beträgt 11.230.600,00 €. Der prognostizierte Mehraufwand in Höhe von 3.071.000,00 € entspricht einer Steigerung in Höhe von 27,34 %.

Unter Berücksichtigung der Budgetdeckelung im Rahmen der Budgetplanung für das Haushaltsjahr 2024 entspricht der überplanmäßige Bedarf faktisch einer Steigerung in Höhe von ca. 23 %. Dies wiederum korrespondiert mit den eingangs dargestellten Steigerungen der Tagessätze für stationäre Betreuungen und Fachleistungsstunden für ambulante Maßnahmen in Höhe von 20 – 25 %. 

 

Eine vorherige Beteiligung des Haupt- und Finanzausschusses war nicht möglich, da das Ergebnis des unterjährigen Controllings nicht vollständig zur Abklärung von Deckungsvorschlägen möglich war.

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