Sitzungsvorlage - V/2020/157
Grunddaten
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Sitzungsvorlage
- Federführend:
- Amt 51 - Jugendamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Jugendhilfeausschuss
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Vorberatung
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18.06.2020
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Beschlussvorschlag
- Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.
- Der Jugendhilfeausschuss beschließt, auf der Grundlage des § 88 Abs. 2 SGB VIII, die freiwillige Aufnahme von bis zu fünf unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die zurzeit unter unmenschlichen Bedingungen in griechischen Flüchtlingslagern leben.
- Der Jugendhilfeausschuss beauftragt die Verwaltung, die Aufnahmebereitschaft der Stadt Herzogenrath der zuständigen Landesstelle beim Landesjugendamt Rheinland mitzuteilen.
Finanz. Auswirkung
Finanzielle Auswirkungen (einschl. Darstellung der Folgekosten – Sach- und Personalaufwendungen – sowie Folgeerträge):
Die entstehenden Unterbringungskosten sowie die Sachkosten und anfallenden Personalkosten werden vollständig durch das Land NRW refinanziert. Die Stadt Herzogenrath muss in Vorleistung treten.
Sachverhalt
Sachverhalt:
Gemäß dem Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses (s. V/2020/132) aus seiner Sitzung vom 28.04.2020 hat die Verwaltung die erforderlichen Maßnahmen zur Aufnahme von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen eruiert.
- Vorgehensweise zur Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge
Die Vorgehensweise und die Aufgaben der Jugendhilfe bei der Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge wird dezidiert in den §§ 42a ff SGB VIII geregelt.
Im ersten Schritt ist eine vorläufige Inobhutnahme auszusprechen.
Im zweiten Schritt hat das Jugendamt während der vorläufigen Inobhutnahme zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen einzuschätzen,
- ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen durch die Durchführung des Verteilungsverfahrens gefährdet wird.
- ob sich mit dem Kind oder dem Jugendlichen verwandte Personen im Inland oder Ausland aufhalten.
- ob das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen eine gemeinsame Inobhutnahme mit Geschwistern oder anderen unbegleiteten Flüchtlingen erfordert.
- ob der Gesundheitszustand des Kindes oder Jugendlichen die Durchführung des Verteilungsverfahrens innerhalb von 14 Tagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme ausschließt, hierzu soll eine ärztliche Stellungnahme eingeholt werden.
Im Rahmen der Prüfung durch das Jugendamt ist auch durch Inaugenscheinnahme eine Altersfeststellung durchzuführen.
Das Ergebnis der Prüfung teilt das Jugendamt der für die Zuweisung zuständigen Landesstelle beim Landesjugendamt Rheinland mit.
Sofern im Anschluss an diese Prüfung eine Zuweisung durch das Landesjugendamt erfolgt, muss das Jugendamt die Inobhutnahme gem. § 42 SGB VIII erklären und das Kind oder den Jugendlichen in einer entsprechenden Pflegefamilie oder Heimeinrichtung unterbringen.
Im Anschluss an die Inobhutnahme sind die Mitarbeiterinnen verpflichtet innerhalb von 3 Tagen eine gerichtliche Klärung zur Regelung der elterlichen Sorge beim Familiengericht herbeizuführen, so dass das Jugendamt als Vormund die notwendigen Dinge für den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling regeln und auch entsprechende Anträge stellen kann, so dass letztendlich auch Hilfe zur Erziehung gewährt werden kann.
Eine Zuweisung an die Jugendämter erfolgt in der Regel nur dann, wenn die vom Gesetzgeber festgelegte Quote zur Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, nicht erfüllt wird.
Die Aufnahmequote für das Jugendamt Herzogenrath lag zu Beginn des Jahres 2016 bei 35 Fällen und liegt mittlerweile bei 16. Seitens des Jugendamtes wurden durchgängig mehr Fälle betreut als quotenmäßig festgelegt ist. Derzeit werden noch 20 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut, davon 3 Jugendliche und 17 junge Volljährige.
Die Kosten für die Unterbringung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings werden vollständig vom Landesjugendamt refinanziert, hinzu kommt eine Sachkostenpauschale von 3.933 € jährlich pro Fall. Die Stadt Herzogenrath muss allerdings in Vorleistung treten.
Für die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge stehen im Sozialen Dienst des Jugendamtes zwei Mitarbeiterinnen mit insgesamt 26,5 Wochenstunden zur Verfügung.
- Verfahren bei freiwilliger Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen aus griechischen Aufnahmelagern
Nach Auskunft des Landesjugendamtes Rheinland prüfen die Behörden, ob die minderjährigen Flüchtlinge aus den griechischen Flüchtlingslagern in Deutschland in irgendeiner Form familiäre Bezüge haben. Dies würde bei der Zuweisung der Kinder und Jugendlichen berücksichtigt.
Auf Grund der Corona-Pandemie müssen sich die Kinder und Jugendliche in Deutschland zunächst in eine 14 tägige Quarantäne begeben. Das Jugendamt am Ort der Quarantänestelle erklärt die vorläufige Inobhutnahme gem. § 42 a SGB VIII. Nach Ablauf der Quarantäne werden die Kinder und Jugendlichen verteilt und zugewiesen.
Voraussetzung ist allerdings, dass die aufnehmenden Jugendämter eine freiwillige Fallübernahme gem. § 88 Abs. 2 SGB VIII erklären, wonach „ein anderer Träger (…) aus Gründen des Kindeswohls oder aus sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht die örtliche Zuständigkeit von dem zuständigen Träger übernehmen (kann).“
Eine Erklärung nach § 88 Abs. 2 SGB VIII gegenüber der zuständigen Landesstelle hätte eine Zuweisung, unabhängig von der Quote, zur Folge.
Nach Angaben der Landesstelle wird von den 47 Kindern und Jugendlichen, die sich derzeit in Niedersachsen aufhalten, niemand nach Nordrhein-Westfalen zugewiesen.
Inwieweit zukünftig eine Verteilung nach NRW erfolgt, ist von der Positionierung der Landeregierung abhängig.
Nach Angaben der Landesstelle sollen in der näheren Zukunft weitere 500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus den griechischen Flüchtlingslagern in Europa verteilt werden.
Eine freiwillige Fallübernahme nach § 88 Abs. 2 SGB VIII führt, analog zu der regulären Aufnahme im Rahmen der Quotenregelung, zu einer vollständigen Refinanzierung der Kosten.
- Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
In der gegenwärtigen Situation, auch infolge der Corona-Pandemie, zeigen die stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowohl in der StädteRegion Aachen (Haus St.Josef/Eschweiler, Agnesheim/Stolberg, Kinderheim St. Hermann-Josef/Herzogenrath und der SKF Alsdorf) als auch die Aachener Einrichtungen derzeit immer wieder an, dass in den Regelgruppen freie Platzkontingente zur Verfügung stehen.
Vor diesem Hintergrund sind Unterbringungen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen als eingestreute Plätze in den Regeleinrichtungen möglich, was insbesondere auch den positiven pädagogischen Aspekt der Integration bietet.
Die Finanzierung erfolgt über Tagessätze in Höhe von ca. 180,00 – 200,00 Euro pro Tag.
Der Aufbau und die Einrichtung von kostenintensiven neuen Wohngruppen ist aus der Sicht des Jugendamtes nicht erforderlich, da der Bedarf anderweitig gedeckt werden kann. In der gegenwärtigen Situation wären die freien Träger darüber hinaus auch nicht bereit, sich dieser Aufgabe erneut zu stellen und ein entsprechendes Risiko einzugehen, zumal derzeit immer mehr Plätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge abgebaut werden.
Bei der Zuweisung von unter sechsjährigen Kindern müsste für die Unterbringung ein passender Platz in einer Pflegefamilie gesucht werden, sofern entsprechende Kapazitäten zur Verfügung stehen.
- Fazit
Ausgehend von den o.a. Ausführungen ist aus Sicht der Verwaltung, auf der Grundlage des § 88 Abs. 2 SGB VIII, die freiwillige Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge, die zurzeit unter unmenschlichen Bedingungen in griechischen Flüchtlingslagern leben, möglich.
Im Hinblick auf die personellen Ressourcen im Sozialen Dienst des Jugendamtes kann die Aufnahme sowie pädagogische Betreuung und Begleitung von bis zu fünf unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sichergestellt werden.
Rechtliche Grundlagen:
§§ 42a ff, § 88 SGB VIII
