Sitzungsvorlage - V/2024/335

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

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Finanz. Auswirkung

Finanzielle Auswirkungen (einschl. Darstellung der Folgekosten – Sach- und Personalaufwendungen – sowie Folgeerträge):

 

Haushaltsmittel stehen zur Verfügung

 

ja   nein

 

 

Die Gesamteinnahmen (Landeszuweisung gem. § 12 Landeskinderschutzgesetz NRW) belaufen sich auf 192.900 Euro.

 

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Auswirkungen auf den Klimaschutz

keine Auswirkungen

 

positive Auswirkungen

 

negative Auswirkungen

 

Kurze Erläuterung (1-3 Sätze – Um welche Auswirkungen handelt es sich? Sind diese erheblich oder gering? Wenn die Auswirkungen negativ sind, bestehen alternative Handlungsmöglichkeiten?)

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Sachverhalt

Die Verwaltung weist zunächst darauf hin, dass aufgrund des Umfangs des Abschlussberichts zur Qualitätsentwicklung, dieser ausschließlich in ALLRIS zur Verfügung steht.

 

Mit dem zum 01.07.2022 in Kraft getretenen Landeskinderschutzgesetz NRW verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, den durch die örtlichen Jugendämter zu gewährleistenden Kindesschutz nachhaltig zu stärken und qualitativ abzusichern und weiterzuentwickeln.

 

Hierzu hat der Gesetzgeber die Implementierung von regelmäßigen Qualitätsentwicklungsverfahren in den Jugendämtern vorgeschrieben.

 

Zur erstmaligen Entwicklung und Erprobung entsprechender Verfahren wurde in Zuständigkeit der Landesjugendämter in NRW beginnend Ende 2023 ein Pilotprojekt unter wissenschaftlicher Beratung und Begleitung des Instituts für soziale Arbeit e.V. (ISA), dem Deutschen Jugendinstitut (DJI) und den Deutschen Kinderschutzzentren aufgelegt, zu welchem nordrheinwestfälische Jugendämter ihr Beteiligungsinteresse bekunden konnten.

 

Das Jugendamt der Stadt Herzogenrath hat sich im Januar 2024 erfolgreich um eine Teilnahme an diesem Pilotprojekt beworben und konnte somit in der ersten Jahreshälfte 2024 als eines von 19 aus 186 ausgewählten NRW-Jugendämtern erstmals ein umfassendes Qualitätsentwicklungsverfahren gem. den Vorgaben des neuen Landeskinderschutzgesetztes durchlaufen.

 

Durch ein festes wissenschaftliches Team, bestehend aus zwei Mitarbeiterinnen des Deutschen Jugendinstitutes und einer Mitarbeitern des Instituts für soziale Arbeit unter der Projektleitung von Prof. Heinz Kindler und Prof. Christian Schrapper wurde eine umfassende Analyse des praktizierten Kindesschutzes im Jugendamt der Stadt Herzogenrath durchgeführt.

 

Diese Analyse setzte sich aus drei Bausteinen zusammen:

 

  • Kleinteilige Analyse eines exemplarischen realen Kindesschutzfall aus der Praxis des Jugendamtes

 

  • Umfassende Datenerhebung zur Strukturqualität im Jugendamt, wie z.B. in Bezug auf vorhandene Dienstanweisungen, festgelegte Verfahrensstandards, aktuelle und grundsätzliche Personalsituation, etc.

 

  • Kontexterfassung der sozialen Lage und der sozialen Infrastruktur in der Stadt Herzogenrath 

 

Im Zeitraum Januar bis Juni 2024 fanden hierfür an drei Tagen ausführliche Sitzungen mit dem Analyseteam und den beteiligten MitarbeiterInnen aus dem Jugendamt Herzogenrath vor Ort statt, es wurden mehrfache Telefon- und Videointerviews mit Leitungs- und Fachkräften des Jugendamtes durchgeführt, anonymisierte Personalstrukturdaten über das Personalamt und Sozialdaten über IT NRW eingeholt.

 

Im Juni 2024 wurde der umfassende Abschlussbericht vorgelegt und am 26.06.2024 fand in Köln die Abschlusstagung des Projektes unter Beteiligung von NRW Ministerin für Kinder, Jugend und Familie, Josefine Paul, statt.

 

In der Zusammenfassung der Situation im Jugendamt Herzogenrath  kommt die Kindesschutzanalyse u.a. zu folgenden Befunden:

 

  • Es besteht in der Zusammenarbeit und Kommunikation im Team ein offener und  wertschätzender Umgang miteinander, eine generelle Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung und eine hilfreiche Beratung durch die Leitung

 

  • Kindeseltern erhalten vielfältige Hilfe- und Unterstützungsangebote, auch zur Vermeidung einer Fremdunterbringung. Entsprechend existiert in Herzogenrath eine vergleichsweise hohe Leistungsdichte  in den Hilfen zur Erziehung

 

  • Es bestehen enge Kooperationen und Vernetzungen mit weiteren Hilfeanbietern und Kindesschutzakteuren innerhalb der Kommune, wie z.B. der örtlichen Kinderarztpraxis

 

  • Die Qualität der Kindesschutzarbeit wird in Herzogenrath kontinuierlich weiterentwickelt und ausgebaut, wie etwa in Bezug auf Kindesschutzkonzepte, Dienstanweisungen, Einarbeitungskonzepten, etc.

 

In den Befunden wurden jedoch auch bestehende Weiterentwicklungsbedarfe ermittelt, wie etwa

 

  • in Bezug auf (noch) strukturiertere Gefährdungseinschätzungen und noch besser aufeinander abgestimmte Instrumente wie Dienstanweisungen und Handbücher um letztlich bei einer jetzt schon attestierten guten Kindesschutzstruktur zu noch mehr Handlungssicherheit zu kommen, 

 

  • in Bezug auf eine noch bessere Qualifizierung und Weiterbildung der im Jugendamt tätigen Fachkräfte,

 

  • in Bezug auf eine gesteigerte Personalbindung durch gute Rahmenbedingungen, da im Rahmen der innerhalb der Studie durchgeführten Mitarbeiterbefragung eine durchweg hohe Unzufriedenheit mit der bestehenden Personalsituation sowohl seitens der Fach- als auch der Leitungskräfte zutage trat.

 

Die Studie schließt mit den folgenden Empfehlungen für die weitere Qualitätsentwicklung im Kindeschutz in Herzogenrath:

 

  • Fachkräften sind ausreichende zeitliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen (etwa bei Fallübergaben, in der Einarbeitung, im Aktenstudium, im Kontakt zu den betroffenen Familien) um Überforderungen entgegen zu wirken

 

  • Es bedarf einheitlicher Regelungen und Absprachen für Fallvertretungen, was   insbesondere in Zeiten von Stellenvakanzen und häufigeren Personalwechseln von hoher Wichtigkeit ist

 

  • Weiterentwicklung von bestehenden Einarbeitungskonzepten und Methoden zum Fallverständnis und zur Diagnostik

 

  • Weiterentwicklung von bestehenden qualifizierten und transparenten Kindesschutzverfahren

 

  • Stärkung des Einbezugs von Eltern- und Kindern in Kindeschutzverfahren

 

  • Durchführung einer qualifizierten Personalbemessung als wichtige Stellschraube für eine tragbare Fall- und Arbeitsbelastung im Kindesschutz

 

  • Ausbau der bestehenden Kooperationsstrukturen mit dem Gesundheitswesen, wie Psychiatrie, Kindesschutzambulanz, Sozialpädiatrischem Zentrum, etc.

 

  • Ausbau der Infrastruktur in der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere im Bereich der Frühförderung und bei Inobhutnahmeplätzen.

 

 

Fazit

 

Die Studie zeigt deutlich, dass es gute Strukturen und Rahmenbedingungen braucht, um den jugendamtlichen Kindesschutz abzusichern und auszubauen.

Das Jugendamt arbeitet intensiv an einer entsprechenden qualitativen Weiterentwicklung, z.B. in Bezug auf Dienstanweisungen, Kooperationsvereinbarungen, interdisziplinären Vernetzungen und interne Verfahrensabläufen, was in der Studie auch positiv hervorgehoben ist.

 

Die Studie zeigt jedoch auch die Abhängigkeit von den äußeren Rahmenbedingungen und Entwicklungen im Sozialraum selbst.

Für das Jugendamt der Stadt Herzogenrath sind daher die folgenden Zahlen im Kindesschutz und die sich hierin wiederspiegelnde negative Entwicklung von Belang:

 

 

§ 8a SGB VIII Meldeverfahren *

 

Steigerung

zum Vorjahr

Anzahl der Kinder

**

 

Daraus folgende Inobhutnahmen

gem. § 42 SGB VIII

Steigerung

zum Vorjahr

2020

80

 

 

26

 

2021

78

-2,5 %

 

35

+ 35 %

2022 

125

+60,25 %

 

37

+ 5,7 %

2023 

 

173

+38,4 %

363

 

48

+29,75

2024***

185

+7,0 %

374

46

-4,1 %

 

*gezählt sind alle „gewichtigen Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung“, die zu einem Überprüfungsverfahren gem. § 8a SGB VIII des Jugendamtes geführt haben, unabhängig vom Ergebnis dieser Überprüfung

 

**mit Einführung des Landeskinderschutzgesetzes zum 01.07.2022 ist für jedes Kind einer Familie, in welcher Hinweise auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung vorliegen eine eigene Risikoeinschätzung und entsprechende Überprüfung vorgesehen, unabhängig davon, ob das Kind von der Meldung konkret betroffen ist.

Ab 2023 wird daher die Zahl nunmehr folgend erfasst.

 

***es wurden die Zahlen vom 01.01.24 bis 31.07.24 berücksichtigt und auf das Ganze Jahr prognostisch hochgerechnet werden

 

Nicht zuletzt verweist die Studie, wie auch das Landeskinderschutzgesetzt selbst, auf die Wichtigkeit ausreichender personeller Ressourcen und hierfür notwendiger guter Rahmenbedingungen für einen qualitativ hochwertigen Kindesschutz.

 

Hinzu kommen die in der obigen Tabelle dargelegten exorbitanten Steigerungen in den Kindesschutzfällen, sodass sich im Jugendamt Herzogenrath die Mitarbeitenden sowohl qualitativ wie quantitativ in großen Herausforderungen befinden.

Dies spiegelt sich auch   in der im Rahmen der Studie durchgeführten Mitarbeiterbefragung wieder, welche in Bezug auf die Personalsituation eine „hohe Unzufriedenheit“ bei 100 % der MitarbeiterInnen erbracht hat.

 

Es gilt daher auch aus der vorliegenden Qualitätsentwicklungsstudie, neben den weiteren herausgearbeiteten und weiter oben aufgeführten Entwicklungsbedarfen und Empfehlungen, als wohl wichtigste Herausforderung durch eine angemessene Personalentwicklung dieser Situation zeitnah und nachhaltig zu begegnen. 

 

Rechtliche Grundlagen:

 

Nach §  8 Landeskinderschutzgesetz NRW  sollen in allen Jugendämtern wiederkehrend alle 5 Jahre ein Qualitätsentwicklungsverfahren nach verbindlichen Standards durchgeführt werden.

Dieses Verfahren besteht aus einer Evaluation und fachlichen Einordnung von konkreten Fallanalysen bereits abgeschlossener Sachverhalte sowie von zu erhebenden Merkmalen zur Strukturqualität des örtlichen Jugendamtes.

 

Dass nach den Bestimmungen zu § 6 Landeskinderschutzgesetz hierfür zuständige Landesjugendamt erstellt über jedes Qualitätsentwicklungsverfahren einen Bericht, der dem Jugendamt vorgelegt wird.

Zu den Erkenntnissen des Berichtes und daraus resultierenden Umsetzungsvorschlägen soll die Verwaltung des Jugendamtes im örtlichen Jugendhilfeausschuss berichten.

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Anlagen

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