Sitzungsvorlage - V/2018/320-E01

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Beschlussvorschlag

Der Umwelt- und Planungsausschuss empfiehlt dem Rat der Stadt Herzogenrath folgenden Beschluss:

 

Nach einschlägiger Beratung lehnt der Rat der Stadt Herzogenrath den Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN auf Einführung eines kostenlosen Angebotes für Abfallsäcke an Haushalte mit Kleinkindern und pflegebedürftigen Menschen in Herzogenrath vom 29.10.2018 ab.

Reduzieren

Finanz. Auswirkung

Finanzielle Auswirkungen (einschl. Darstellung der Folgekosten Sach- und Personalaufwendungen sowie Folgeerträge):

 

Die möglichen finanziellen Auswirkungen für die beantragte Maßnahme ergeben sich aus dem Sachverhalt.

Reduzieren

Sachverhalt

Sachverhalt:

 

Mit Schreiben vom 29.10.2018 beantragt die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Rat der Stadt Herzogenrath die Verwaltung zu beauftragen, unter bestimmten Voraussetzungen, ein kostenloses Angebot für Abfallsäcke an Haushalte mit Familien mit Kleinkindern unter zwei Jahren sowie pflegebedürftigen Menschen, die Zuhause gepflegt werden, einzurichten.

 

Zu diesem und einem gleichgelagerten Sachverhalt hat die Verwaltung in den Beratungsvorlagen mit den Drucksachen-Nr. V/2013/088 und V/2018/320 bereits vollumfänglich Stellung genommen und u.a. auf die gebührenrechtlichen und haushalterischen Auswirkungen eines solchen Angebotes hingewiesen.

 

Insbesondere ist die Finanzierung des Angebotes über die Abfallgebühren nicht möglich, weil derjenige, der Einwegwindeln benutzt, die in der Abfallhierarchie des Abfallrechts an erster Stelle stehende Vorgabe, Abfälle zu vermeiden, nicht einhält. Denn alternativ bestünde die Möglichkeit, mit Blick auf die Vorgabe Abfall zu vermeiden, waschbare Mehrwegwindeln aus Stoff zu benutzen. Entschließt sich jemand – was ohne jeden Zweifel nachvollziehbar ist – dazu, keine Stoffwindeln, sondern Einwegwindeln zu benutzen, so muss er für die Entsorgung dieser Einwegwindeln auch entsprechend mit Abfallgebühren belastet werden. Die Umsetzung eines solchen Angebotes kann daher nur als freiwillige Leistungen der Stadt eingeführt und über allgemeine Haushaltsmittel finanziert werden. Bei der Wahl, welche freiwillige Leistungen für welche Zwecke die Stadt anbietet, hat sie einen großen Ermessensspielraum.

 

In der Sitzung des Umwelt- und Planungsausschusses am 27.11.2018 wurde das Thema aufgrund des Antrags der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN erneut ausführlich beraten (siehe Drucksachen-Nr. V/2018/320).

 

Die CDU-Fraktion erklärte im Zuge der Sitzung, dass das Thema „Windelsack“ nochmals diskutiert werden müsse. Bspw. könnten jungen Familien 50 bis 60 Windelsäcke zur Verfügung gestellt werden. Die CDU-Fraktion bat die Verwaltung dies nochmals zu prüfen.

 

Die Ausgabe von 60 Windelsäcken würde bedeuten, dass bei einem Kleinkind bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr 2,5 Säcke/Monat ausgegeben werden könnten (24 Monate x 2,5 Säcke).

 

Es bestünde die Möglichkeit, die kostenlosen Säcke sofort für den Zeitraum von 12 Monaten abzugeben, was eine jährliche Ausgabe von 30 Säcken je Kleinkind bedeuten würde.

 

Die sofortige Ausgabe der Säcke für den gesamten Anspruchszeitraum (z.B. hier zwei Jahre) wäre dagegen nicht zu empfehlen.

 

Die Verwaltung hätte über den zweckbestimmten Einsatz der Säcke keinerlei Kontrolle mehr. Die Nutzung der Säcke für andere Zwecke, die Weitergabe an Dritte oder sogar ein Verkauf an Dritte (z.B. bei Wegzug aus der Stadt und dem Verbandsgebiet oder, wenn Säcke gar nicht benötigt werden, weil genug Platz in der Restmülltonne ist) wären nicht auszuschließen. Die mögliche missbräuchliche Nutzung wäre vollumfänglich von Steuerzahler zu tragen und die Verfahrensweise der Verwaltung zu wenig Verständnis bei den Bürgerinnen und Bürgern führen, die nicht anspruchsberechtigt sind, das System aber mitfinanzieren müssten. Insoweit sollte aus Sicht der Verwaltung nur eine Bewilligung für einen Zeitraum von max. ½ bis 1 Jahr erfolgen, um einem möglichen Missbrauch annähernd begegnen zu können. Danach wäre wieder ein neuer Antrag zu stellen.

 

Unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Verwaltung in der Beratungsvorlage V/2018/320 ergibt sich zu dem Vorschlag der CDU-Fraktion folgende bespielhafte Kostenberechnung:

 

Grunddaten:

Kosten des Sacks:3,00 €/Stück

Anzunehmende Anspruchsberechtigte:1.085 Personen

 

Berechnung:

 

3,00 €/Stück x 30 Säcke = 90 €/Person/Jahr

 

90 €/Person x 1.085 anspruchsberechtigte Personen = 97.650 €/Jahr

 

Kosten für den allgemeinen Haushalt der Stadt Herzogenrath: 97.650,00 €/Jahr

 

Aufgrund mangelnder Erfahrungswerte ist tatsächlich nicht einschätzbar, wie sich die Kostenbelastung des allgemeinen Haushalts in der Zukunft weiter entwickeln wird.

 

Die Einführung eines kostenlosen Abfallsacks in Herzogenrath ist also als freiwillige Leistung der Stadt Herzogenrath zu den vorstehend genannten jährlichen Kosten grundsätzlich glich.

 

Die Aufwendungen für diese sozialpolitische Familienförderung würden allerdings den allgemeinen Haushalt spürbar belasten. Die finanziellen Mittel, die für diese Maßnahme schließlich aufgewendet werden, stünden dann an anderer Stelle für die Unterstützung von Maßnahmen diverser soziapolitischer oder kultureller Art im Stadtgebiet nicht mehr zur Verfügung.

 

Im Übrigen sollten bei den Überlegungen einen kostenlosen Abfallsack einzuführen, der ausschließlich für die Aufnahme von benutzten Einwegwindeln zur Verfügung gestellt werden soll, stets hygienische Aspekte berücksichtigt und strikt beachtet werden. Denn bei kranken und infektiösen pflegebedürftigen Personen kann nur so die Gefahr einer Infektion derjenigen Personen, die den „Windelsack“ schließlich händeln und endgültig verschließen müssen, ausgeschlossen werden.

 

Die Entsorgung eines gut verschlossenen Abfallsacks über die reguläre Müllabfuhr stellt dabei nicht das Problem dar, vielmehr ist hier aufgrund des Abfuhrrhythmusses von 14 Tagen eine Zwischenlagerung der benutzten Einwegwindeln in unter Umständen offenen Abfallsäcken erforderlich und deshalb sicher nicht jedem zuzumuten. Die Nutzer des „Windelsacks“ müssten sich daher im Klaren darüber sein, stets eine separate, gut belüftete, und für Kinder und Haustiere unzugängliche „Lagerstelle“ innerhalb der Wohnung, auf dem Grundstück oder in eigenen separaten Behältnissen vorhalten zu müssen, was wiederum in Mehrfamilienhäusern problematisch werden könnte.

 

Um schließlich eine sachgerechte Entscheidung für oder gegen das Angebot eines kostenlosen Abfallsacks für Familien und pflegebedürftige Person treffen zu können, ist die Beantwortung der Frage, ob die beantragte zusätzliche sozialpolitische Förderung der Familien mit Kleinkindern und pflegebedürftigen Personen in Herzogenrath durch die Abgabe eines kostenlosen Abfallsacks neben anderen möglichen förderungswürdigen freiwilligen Maßnahmen der Stadt, nicht zuletzt auch aufgrund des Kostenvolumens und hygienischer Gesichtspunkte, den Vorzug zu geben ist:

 

Hierbei ist u.a. zu beachten, dass das deutsche Einkommenssteuergesetz in § 31 EStG bereits einen sogenannten „Familienleistungsausgleich“ vorsieht. Der Gesetzgeber hat sich dabei für ein „Optionsmodell“ entschieden, das nach einer Günstigerprüfung entweder einen kindesbezogenen Freibetrag oder Kindergeldzahlungen gewährt.

 

Damit sind familienbedingte Aufwendungen (wozu auch die höheren Belastungen durch den (vorübergehenden) Einsatz und die Entsorgung von Einwegwindeln bei Kleinkindern zählen) grundsätzlich durch die Regelungen des Familienleistungsausgleichs abgegolten. Der kindesbezogene Freibetrag enthält zudem als zweite Komponente einen Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag („BEA-Freibetrag“).

 

Nach Ablauf eines Kalenderjahres erfolgt bei der Einkommenssteuerveranlagung eine Günstigerprüfung. Der Teil des Kindergeldes, der die steuerliche Entlastung des Freibetrags übersteigt, verbleibt schließlich bei den Familien als sozialpolitischer Förderanteil (siehe § 31 Satz 2 EStG). Dies dürfte allerdings nur bei Familien der Fall sein, die über ein geringes zu versteuerndes Gesamteinkommen verfügen.

 

Im Ergebnis bedeutet dies, dass durch die Günstigerprüfung des Finanzamtes bei Familien mit Kindern grundsätzlich auch Kosten für die Entsorgung von Einwegwindeln (einbezogen in Unterkunftskosten / Unterhaltskosten / Betreuungskosten) vom Gesetzgeber berücksichtigt wurden. Danach ist, zumindest aus Sicht des Gesetzgebers, die Berücksichtigung der unterschiedlichen finanziellen Belastung von Familien mit Kleinkindern im Verhältnis zu Familien ohne Kinder mit dem Familienleistungsausgleich ausreichend Rechnung getragen. Weitere sozialpolitische Förderungen von Familien mit Kindern durch andere staatliche Institutionen sind prinzipiell nicht vorgesehen.

 

Dieser Ansatz führt schließlich zu weiteren Überlegungen:

 

Allem voran zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass die Mehraufwendungen für Familien mit Kindern im Verhältnis zu kinderlosen Familien grundsätzlich durch die eingeräumten steuerlichen Begünstigungen des Gesetzgebers (Kindergeld bzw. Freibeträge usw.) zum Teil aufgefangen werden.

 

Will man also gerade einkommensschwache junge Familien mit Kindern oder Familien mit Kindern, die auf finanzielle Hilfe durch den Staat angewiesen sind, unterstützen, müsste die Förderung konsequenterweise vom Nachweis der Bedürftigkeit oder Einkommenshöchstgrenzen abhängig gemacht werden.

 

Ein genauer Blick auf die einheitliche Verfahrensweise bei der Ausgabe der kostenlosen Abfallsäcke (Stichwort: „Gießkannenprinzip“) belegt nämlich, dass bei einem Modell ohne Einkommensprüfung des Antragstellers alle Einkommensgruppen sozialpolitisch gleichermaßen gefördert würden (also finanziell gut ausgestattete Familien, die die vorübergehenden zusätzlichen Kosten für die Entsorgung von Einwegwindeln ohne weiteres verkraften können, würden genauso in den Genuss der Förderung kommen, wie einkommensschwache Familien).

 

Tatsächlich würde die Maßnahme daher nur dort eine echte sozialpolitische Förderung der Familien mit Kleinkindern und pflegebedürftigen Menschen bewirken, wo das Einkommen der Familie entsprechend gering ist. D.h., erst mit sinkendem Gesamteinkommen der geförderten Familie steigt die gewollte sozialpolitische Komponente der Maßnahme wieder auf ein angemessenes Niveau an.

 

Die detaillierte Prüfung der Einkommensverhältnisse eines jeden Antragstellers würde jedoch zu einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand für Antragsteller und Sachbearbeiter führen, der, neben den Entsorgungskosten, weitere Verwaltungs- und Personalkosten nach sich ziehen, und die beantragte Maßnahme noch weiter verteuern würde.

 

Zu alledem ist es bei einem Teil der Bewohner von Mehrfamilienhäusern fraglich, ob die angestrebte Förderung von Familien mit geringem Einkommen auch ihr Ziel tatsächlich erreichen wird.

 

Dies kann bespielweise dann nicht angenommen werden, wenn der vom Grundstückeigentümer oder von der Hausverwaltung angewandte Umlageschlüssel für die Abrechnung der Nebenkosten den Familien mit Kindern oder pflegebedürftige Personen gar kein verwertbares Einsparpotential bietet (z.B. Umlage der Abfallgebühren nach Personen, Quadratmetern oder Wohnung). Gerade bei Familien mit sehr geringem Einkommen ist davon auszugehen, dass diese in der Regel nicht über selbstgenutztes Wohneigentum verfügen und so in der Lage wären, unmittelbar Einfluss auf die zu zahlenden Abfallgebühren zu nehmen. Somit würde die beabsichtigte Unterstützung den Familien, die über geringes oder gar kein Einkommen verfügen, gar nicht helfen und ins Leere laufen.

 

Hier würde sich tatsächlich nur dann eine finanzielle Entlastung für diese Familien ergeben, wenn sie die erworbenen kostenlosen Abfallsäcke „gewinnbringend“ an Dritte weitergeben können. Ob diese Verfahrensweise von der antragstellenden Fraktion gewollt und mit dem Sinn und Zweck der beantragten Maßnahme noch vereinbar wäre, soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden und bleibt dahingestellt.

 

Unter Abwägung der sozialpolitischen Zielsetzung der beantragten Maßnahme mit den bereits von Gesetzgeber eingeräumten finanziellen steuerlichen Entlastung der Familien mit Kindern, den möglichen Raum für eine missbräuchliche bzw. fehlgeleitete Nutzung des Angebotes, den gegensätzlichen Vorgaben des Abfallrechts und möglicher hygienischer Probleme bei der Zwischenlagerung der benutzten Einwegwindeln, empfiehlt die Verwaltung im Ergebnis, die Einführung eines kostenlosen Abfallsacks für Familien mit Kleinkinder unter zwei Jahren und pflegebedürftige Menschen, die Zuhause gepflegt werden, zu verwerfen und den Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.

 

Stattdessen schlägt die Verwaltung vor, den im allgemeinen Haushalt vorhandenen finanziellen Spielraum für solche freiwillige Leistungen und Förderungen der Stadt zu nutzen, die nach ihrem Sinn und Zweck direkte Verwendung finden oder auf andere Weise sportliche oder kulturelle Ziele befördern können. In diesem Zusammenhang weist die Verwaltung erneut darauf hin, dass in den vergangenen Jahren die Förderung zahlreicher Vereine und ansässiger Institutionen von Leistungskürzungen infolge des Nothaushaltes betroffen waren. Im Gesamtgefüge der freiwilligen Leistungen der Stadt Herzogenrath lässt sich aus diesem Grund die beantragte Maßnahme und deren erhebliches finanzielles Volumen gerade in diesem Bereich kaum positiv nach außen darstellen.

 

Die vorgenannten Ausführungen zur steuerlichen Förderung von Familien mit Kindern sind vollumfänglich auf pflegebedürftige Menschen übertragbar, weil ihnen in Form von Pflegegeld und anderen staatlichen Leistungen (Pflegeversicherung etc.) ebenso (finanzielle) Unterstützung, auch im Bereich der Versorgung mit Einwegwindeln und deren anschließender Entsorgung, zukommt.

 

 

Rechtliche Grundlagen:

Einkommenssteuergesetz (EStG), Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW), Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), Landesabfallgesetz (LAbfG NRW), Kommunalabgabengesetz NRW (KAG NRW), Abfallsatzung der RegioEntsorgung AöR, Abfallgebührensatzung der Stadt Herzogenrath in den jeweils zurzeit gültigen Fassungen

Loading...